Lehrer und Legasthenietrainer

 

Artikel:

-Eine Schülerin von mir schreibt in Spiegelschrift
-Aufklärung!
-Erfolgsdruck nicht förderlich
-"Experten"
-"Es wird schon gehen..."
-Zeit und Geduld!
-Kann ein Lehrer allein was ausrichten?
-Was sollen Lehrer machen?


Eine Schülerin von mir schreibt in Spiegelschrift

Ich habe Ihre Adresse aus dem Internet und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir weiterhelfen würden. In meiner Schule gibt es ein Mädchen (2. Klasse), das spiegelschriftlich schreibt und einen Jungen (3. Klasse), der allgemein Probleme beim Lesen und Schreiben hat und spiegelschriftlich geschriebene Worte simultan erfassen kann. Können Sie mir vielleicht Informationen zu diesem Thema schicken?

Man kann öfters bei Kindern bis zum vollendeten achten Lebensjahr, die von Ihnen beschriebenen Symptome, beobachten. Das hängt mit der Reife des jeweiligen Kindes zusammen, die sich unterschiedlich zeigt.
Verbleibt aber nach dem achten Lebensjahr dies noch, so ist dringend eine individuelle Förderung des Kindes angezeigt. Es drängt sich nämlich der Verdacht auf, das Kind könnte differenzierte Sinneswahrnehmungen, die nicht von alleine verschwinden, haben. Dadurch kann es im Schreib-, Lese- oder auch Rechenbereich nicht leisten.
Sollten Sie auch eine öfters auftretende Unaufmerksamkeit beim Schreiben, Lesen oder Rechnen beobachten, dann ist sehr wichtig, dass dieses Kind nicht nur an den Symptomen eine Förderung erhält, sondern auch eine in der Schulung und damit verbundenen Verbesserung der Aufmerksamkeit und der Sinneswahrnehmungen, die man für die Kulturtechniken benötigt.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 21/2002


Aufklärung!

Da bittet mich eine Studentin, die eine Diplomarbeit über Lese-, Rechtschreibschwäche schreiben will, um Hilfe. Ich bin Psychologin und diplomierte Legasthenietrainerin. Im Gespräch komme ich dahinter, dass diese Studentin keine Ahnung davon hat, dass die Begriffe LRS und Legasthenie nicht so einfach in einen Topf zu werfen sind. Sie sagt mir auch, dass der Begriff Legasthenie abgeschafft worden wäre. Von wem wusste sie allerdings nicht. Jeder, der mit legasthenen Kindern und Kindern, welche eine LRS haben, arbeitet weiß, dass im Förderansatz ein Unterschied gemacht werden muss.

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Der Unterschied besteht in der Förderung hauptsächlich darin, dass eine LRS zumeist erworben ist und durch vermehrte Übung des Lesens, des Schreibens und des Rechnens behoben werden kann. Bei legasthenen Kindern wird man aber mit diesem Ansatz alleine scheitern! Auch ist darauf zu achten, welche Sekundärprobleme das Kind hat und ob Fachleute, wie Psychologen, Ergotherapeuten, Logopäden, u. a. hinzugezogen werden sollen, damit eine ausreichende Förderung stattfinden kann.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 15/2000


Erfolgsdruck nicht förderlich

Nachdem ich heuer eine 1. Klasse übernommen habe, fürchte ich mich schon wieder vor dem Druck der Eltern bezüglich des schnellen Erlernens des Alphabetes. Ich bin nicht nur VS - Lehrerin sondern habe auch eine Sonderausbildung, die mich als Legastheniespezialistin auszeichnet. Wie wichtig es ist, dass die Kinder in der 1. Klasse die Buchstaben und Zahlen sehr ausführlich lernen, ist mir hinreichend bekannt. Deshalb möchte ich versuchen den Buchstaben- und Zahlenerlernprozess für alle Kinder, besonders für jene mit legasthenen Anlagen, langsam und vertiefend zu gestalten. Dies ist jedoch gar nicht so leicht! Wie oft musste ich mir von unwissenden Eltern vorwerfen lassen, dass die Parallelklasse schon wesentlich weiter mit dem Alphabet ist als meine, und ich deshalb eine schlechte Lehrerin bin.

Sie sollten Ihre völlig richtige Einstellung, das Erlernen der Buchstaben und Zahlen langsam und vertiefend mit den Kindern anzugehen, mit einer Menge von Argumenten für anfragende Eltern untermauern. Erst wenn man den Eltern die Gefahren des schnellen Erlernens der Symbole vor Augen führt, werden sie zuerst hellhörig und dann einsichtig, ja sogar ängstlich, dieser Prozess könnte nun zu schnell entwickelt werden. Natürlich wird es immer Zweifler geben, aber von denen sollten Sie sich nicht abschrecken lassen und Ihre Linie weiter verfolgen.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 15/2000


"Experten"

Bei uns in Tirol tut sich leider auf dem Gebiet der Legasthenie sehr wenig. Letzte Woche war ich nun bei einem Vortrag über dieses Thema und sehr gespannt, was ich Neues erfahren würde. Aufgrund meines Wissens bin ich nun eigentlich entsetzt darüber, was sogenannte "Fachleute" Eltern als Hilfe für ihre legasthenen Kinder mitgeben. Das einzige was diese Frau Magister, eine Psychologin, riet, war eine Lernkartei mit Lernwörtern anzulegen und dann halt zu üben. Andere Ansätze, wie ein Training der Sinneswahrnehmungen, von dem ich selbst schon sehr oft erlebt habe, wie positiv es wirkt, zog sie sogar ins Lächerliche. Meine Einwände, dass für ein legasthenes Kind das Training an den Fehlern nicht genug wäre, wollte sie gar nicht hören, noch weniger akzeptieren.
Leider ist die Akzeptanz anderer Ideen und Erfolge die Schwachstelle von vielen überheblichen Mitmenschen. Dieses Problem dürfte auch die Dame haben, von der Sie uns schrieben. Das Schwierige daran ist nur, dass solche "Fachleute" große Unsicherheit bei Eltern und auch Lehrern auslösen. Leidtragende sind aber dann die Kinder. Dies sollte aber vermieden werden. Gerade der Trainingsansatz bei legasthenen Kindern hat so viele verschiedene Facetten und muss absolut individuell sein. Deshalb muss auch mehr zur Verfügung stehen, als das sture Üben an den Fehlern.
Ich stecke gerade mitten in Ihrem Buch "Der legasthene Mensch" und muss Ihnen ganz ehrlich gemeint zu diesem Buch gratulieren - ich kann mir sehr viel davon mitnehmen. Besonders gefällt mir das tiefe Verständnis und die Wärme für legasthene Menschen, die sich durch das Buch wie ein roter Faden durchzieht.

Vielen Dank! Mein vorrangiges Ziel ist es legasthenen Menschen das "Schulleben" zu erleichtern und mehr Verständnis für seine Persönlichkeitsmerkmale in unserer Gesellschaft zu erreichen. In den vielen Jahren meines Bemühens habe ich gemerkt, dass all dies zwar langsam, aber sicher vonstatten geht, und dies freut mich sehr!

Austrian Legasthenie News Ausgabe 15/2000


"Es wird schon gehen..."

Als diplomierte Legasthenietrainerin habe ich jetzt sehr regen Kontakt mit Eltern und Kindern, die durch das Legasthenieproblem leiden.
Leider sehe ich sehr häufig, dass oftmals Müttern von Lehrern ein schlechtes Gewissen gemacht wird, wenn sie für ihr Kind Interesse, Zeit und Geld aufbringen, also eine außerschulische Hilfe suchen. Das Beruhigen und die Aussage "es wird schon gehen" stehen offenbar bei vielen Lehrern an erster Stelle. Auch gibt es mancherorts sehr schlechte Voraussetzungen für die Kinder in der Schule. Da wird mir erzählt, die Kinder werden in den Pausen gefördert. Da finde ich doch, dass Pausen für die Kinder auch sehr wichtig sind. Die Verunsicherung der Eltern ist auch sehr groß, weil überhaupt nicht erklärt wird, worin die Förderung in der Schule besteht, warum die Kinder nur bis zur dritten Klasse gefördert werden und dann nicht mehr. Sie fühlen sich sehr alleine gelassen. Was mich noch sehr beunruhigt ist, dass viele Kinder sehr spät eine individuelle Förderung erhalten. Das Selbstwertgefühl dieser Kinder ist doch schon sehr angeschlagen.


Jeder der sich mit dem Legasthenieproblem beschäftigt weiß, dass die Voraussetzungen für diese Kinder nicht überall optimal sind! Das liegt vielfach daran, dass sich das Wissen um dieses Phänomen noch nicht überall, auch nicht in Fachkreisen, herumgesprochen hat. Sie als Legasthenietrainer können aber dazu beitragen diese Situation zu verbessern. Darum bitte ich Sie im Namen der betroffenen Kinder!

Austrian Legasthenie News Ausgabe 14/2000


Zeit und Geduld!

Erstens bin ich als Mutter eines legasthenen Kindes und zweitens als Volksschullehrerin sehr verärgert über Aussagen von Psychologen und Ärzten, die da lauten, dass diese Kinder ausschließlich in ihre Hände gehören, damit Verbesserungen herbeigeführt werden können. Ich habe selbst schon oft miterlebt, dass Legastheniker nur mehr Zeit und Geduld von ihrer Umwelt brauchen, dann erlernen sie auch das Lesen, Schreiben oder Rechnen. Fällt der Schuldruck weg, der sonst oftmals auf diese Kinder ausgeübt wird, entwickeln sie auch keine Verhaltensauffälligkeiten. Auch ich hatte durch meinem Beruf schon mit jeder Menge von Legasthenikern zu tun, traue mich aber zu behaupten, dass bei mir noch jedes Kind das Ziel der Volksschule erreicht hat, nämlich das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen.

Ich kann ihnen nur vollkommen zustimmen! Das legasthene Kind an sich ist kein krankes Kind. Was es zu anderen Kindern unterscheidet ist nur der Umgang mit Symbolen, also Buchstaben oder Zahlen. Wir der Zugang zum Lesen, Schreiben und Rechnen auf die Bedürfnisse eines legasthenen Kindes abgestimmt, so entstehen erst gar keine auffallenden Schwierigkeiten. Ein wesentlicher Faktor ist, wie von Ihnen völlig richtig erkannt der Zeitfaktor. Alle diese Bedürfnisse liegen aber in der Hand des Pädagogen!
Natürlich sind Spezialisten hinzuzuziehen, wenn sich beim legasthenen Kind noch andere Problematiken, wie Seh-, Hör-, Sprach, Verhaltens- oder motorische Auffälligkeiten usw., zeigen. Viele Probleme, speziell im Verhalten, treten aber erst durch eine nicht erkannte Legasthenie auf.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 12/1999


Kann ein Lehrer allein was ausrichten?

Als Volksschullehrerin bin ich ziemlich verunsichert bezüglich der Legasthenie, die ja jetzt in aller Munde ist. Es ist ein Problem, dass der Volksschullehrer über dieses Thema zu wenig weiß. Einiger meiner Kollegen wälzen die Verantwortung für diese Kinder ab. Oft hört man:"Da kann ich nicht viel tun, ich brauche einen Legastheniespezialisten!"

In erster Linie ist es die Aufgabe des Lehrers im Regelunterricht auf die differenzierten Bedürfnisse aller Kinder einzugehen. Außerdem ist es wichtig eine Unterscheidung zwischen einer Lese-, Rechtschreibschwäche, die durch Übungsdefizit, Krankheit, soziale Unreife des Kindes usw., herbeigeführt werden könnte, und einer Legasthenie, der eine differenzierte Sinneswahrnehmung zu Grunde liegt, zu unterscheiden. Ein legasthenes Kind hat keinen sonderpädagogischen Förderbedarf, sondern braucht in erster Linie das Verständnis des Lehrers, dass es im Symbolbereich nicht in der gleichen Geschwindigkeit lernen kann wie andere Kinder und eine Förderung in den Sinnesgebieten, die seine individuelle Legasthenie ausmachen. Nichtlegasthene Kinder, welche langsamer, oder schwieriger das Lesen und Schreiben erlernen, brauchen mehr Zuwendung und differenzierte Übung. Für den gesamten Regelunterricht ist natürlich der Klassenlehrer zuständig, Förderstunden unterstützen nur seine Arbeit.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 7/1998


Was sollen Lehrer machen?

Als Schulleiterin werde ich nun immer öfters damit konfrontiert, dass Eltern von Legasthenikern verlangen, dass in der Schule mehr auf die Probleme ihrer Kinder eingegangen wird. Tatsächlich fühlen wir Lehrer uns aber damit etwas überfordert, weil wir wenig bis keine Ahnung haben, wie wir diesen Kindern weiterhelfen können. Meine Frage nun an Sie, wie kann ich diesen Kindern helfen ?

Auch legasthene Kinder sollten aus unserem Schulsystem einen Nutzen ziehen. Tatsächlich ist der Schulunterricht in unseren Schulen, für diese Kinder, als nicht adäquat anzusehen. Die Schuld generell auf die Lehrer zu schieben wäre nun falsch. Ansetzen müßte man in der Ausbildung der Lehrer und zwar in einem wesentlich höheren Maß, als es bisher der Fall ist. Es ist beschämend, wie sich Verantwortliche des Ausbildungsbereiches, aus der Affäre ziehen und öffentlich kundtun, dass die Legasthenie nur eine Modeerscheinung einem Lehrer, der ja zwanzig oder mehr Kinder zu betreuen hat, nicht abverlangen kann, ausreichend auf die Bedürfnisse legasthener Kinder einzugehen, er müßte über ein ausreichendes Wissen der Thematik verfügen und seinen Unterricht völlig ändern. Erstrebenswert wären Legastheniespezialisten, die unterstützend dem Klassenlehrer zur Seite stehen müßten. Erstrebenswert wären auch sogenannte Legasthenieklassen, die es in vielen Ländern gibt. Denn eines weiß man genau, legasthene Kinder erlernen auch das Lesen, Schreiben und Rechnen, nur auf eine andere Art und Weise und wesentlich langsamer als nichtlegasthene Kinder.

Austrian Legasthenie News Ausgabe 5/1998

 


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