Dyskalkulie

 

Brief:

-Dyskalkulie auch bei Erwachsenen!
-Zu wenig Information für Eltern?


Dyskalkulie auch bei Erwachsenen!

Deutsch ist für mich kein Problem, aber alles, was mit Zahlen zu tun hat, ist für mich ein Horror. Auch Lernen ist für mich sehr schwierig, ich habe kein Durchhaltevermögen, nach 10 Minuten verschwimmen mir die Zeilen. Ich verwechsle ständig rechts mit links und vertausche die Zahlen, Telefonnummern merke ich mir nicht. Was soll ich tun? Mein Einkommen lässt keine Therapie diesbezüglich zu, ich möchte mich weiterbilden, aber das Lernen macht mir jetzt schon Angst! Für die Studienberechtigungspüfung müsste ich Mathe lernen! Das habe ich versucht, in der ersten Stunde wurde mir übel und schwindelig. Im ersten Moment verstehe ich alles, auch wenn es kompliziert ist, danach aber ist alles weg, und wenn es ans Üben geht verstehe ich nichts mehr - die Zahlen sind für mich Hieroglyphen!! Gibt es eine kostenlose Therapie? Einen Trainer kann ich mir nicht leisten, welche Alternativen habe ich?

Ja, Legasthenie gibt es auch im Mathematikbereich, dort heißt es dann Dyskalkulie. Dies hat nichts mit Ihrer Intelligenz zu tun, sondern mit Ihrer Wahrnehmung. Ich verstehe Ihre Situation, auch selbst kann man viel tun, und wie ich sehe, möchten Sie auch aktiv werden. Sie haben richtig erkannt, Zahlen sind für Sie Symbole ohne Bedeutung oder erst dann mit Bedeutung versehen, wenn Sie einen weiteren Denkschritt einlegen. Eine kostenlose Therapie für Personen mit einer Dyskalkulie sind mir nicht bekannt. Selbsthilfe heißt die Alternative. Motivation ist wichtig. Zahlen und Mathematik sind nichts Natürliches, aber oft praktisch. Viele Dinge werden gemessen (Größen, Gewicht), viele Dinge berechnet. Versuchen Sie ein Hobby oder eine beliebige Tätigkeit mit Mathematik zu verbinden. Die Basis der gesamten Mathematik liegt im Zählen und in den vier Grundrechnungsarten. Sagen Sie jetzt nicht "das kann ich eh alles" - leider nicht gut genug! Die Zahlen haben sich bei Ihnen noch nicht verinnerlicht - HYROGLYPHEN - Kopfrechnen ist der erste Schritt. Dann versuchen Sie, die Aufgaben auch schriftlich zu fixieren. Alles was so kompliziert scheint, verliert durch die Erklärung ihren Schrecken, aber später ist es weg. Dies passiert nicht mehr, wenn Sie einen kontinuierlichen Umgang mit Zahlen pflegen. Beim Einkaufen im Supermarkt werden Sie ab nun im Kopf in etwa ausrechnen, was Sie zu zahlen haben. Der zweite Schritt ist, bewusst die Aufmerksamkeit zu halten, die verschwindet zumeist, sobald Sie auf Zahlen treffen. Auch das kann man trainieren. Autogenes Training, Yoga, NLP, sind nur einige der vielen Techniken, die diesen Zustand auch verbessern können. Sie müssen versuchen, die Phasen der Aufmerksamkeit zu verlängern. Mit bewusster Aufmerksamkeit und Rechenfertigkeit kann jede Mathearbeit, auch für eine Studienberechtigung, geschafft werden. Sie brauchen Zeit und Fleiß. Ich hoffe, Ihnen ein wenig geholfen zu haben.


Austrian Legasthenie News Ausgabe 18/2001


Zu wenig Information für Eltern?

Markus ist in der 4. Klasse VS. Er hat noch nie ein Jahr wiederholt, ist ein durchschnittlicher Schüler (Deutsch 3, Sachkunde 1 bis 2) und auch sehr willig und dankbar für jede Hilfe. Leider hat er aber Probleme in Mathematik.
Die Mutter hat in der 2. Klasse den Direktor der ASO um Förderunterricht in Mathematik ersucht. Dieser hat den Bub angeschaut und hat gesagt: "Der Bub ist für einen Sonderbedarf zu intelligent. Er braucht nur mehr üben."
Die Familie des Buben ist sehr motiviert. Vor ca. 3 Monaten kam die Mutter zu mir um Hilfe. Das Kind wurde getestet und die Mutter hat mit Übungen im Teilleistungsbereich begonnen. Sie bekam zu dieser Zeit Hilfe von einer karenzierten Lehrerin, die dem Buben Privatunterricht gab. Leider gab es da gewisse familiäre Schwierigkeiten von Seiten der Lehrerin, sodass der Unterricht aufgegeben wurde. Die Mutter bat den Direktor um eine Klassenwiederholung, die aber mit dem Argument da wäre der Bub zuviel, abgelehnt wurde. Man empfahl der Mutter die ASO (und das nicht nur einmal - dabei gab es scheinbar keine andere Alternative!) und gab ihr einen Zettel zur Unterschrift mit. Die Mutter ging zum Inspektor und wurde auf den Schulpsychologen verwiesen, der das Kind getestet hat und zur Einsicht kam, dass hier "nichts mehr nützt" und das Kind in die ASO gehört. Wir haben beim Schulamtsleiter um Auskunft gebeten, welche Möglichkeiten ein Kind in so einem Fall hat. Das hat sich natürlich sofort herumgesprochen, wird wohnen in einem kleinen Bezirk und man hat sich auf ein Missverständnis der Mutter herausgeredet. Nun darf der Bub die Klasse "selbstverständlich" wiederholen. Die Auskunft der Schulbehörde hat mich selbst überrascht denn: Wer weiß schon, dass es auch in der VS eine Wiederholungsprüfung gibt und dass ein Kind mit Konferenzbeschluss in die HS mit einem 5er kann usw. Es wäre auch interessant zu wissen, ob es in solchen Fällen, wo die Eltern nicht ausreichend informiert wurden und vielleicht schon unterschrieben haben, auch Rechtsmittel gibt. Auch wäre interessant, ob die Eltern das Recht auf Einsicht auf einen Test des Schulpsychologen haben, bzw. auf die Testergebnisse. Im übrigen hat ein Mathematiklehrer mit dem Kind zwei Mathestunden gemacht und hat gemeint, dass dieses Kind auf gar keinen Fall in die ASO gehört!

Die Problematik, dass man legasthene Kinder oder auch Kinder mit einer Dyskalkulie der Einfachheit halber in die Sonderschule schickt, ist nicht nur in Oberösterreich, sondern, wie man sieht, auch in Tirol vorhanden. Ich möchte sogar behaupten, dass es sich hier um ein österreichweites Problem handelt. Deshalb ist noch sehr viel Information für die Betroffenen und auch für die Lehrer der Betroffenen notwendig, damit das nicht mehr mit einer Regelmäßigkeit passiert. In jedem Landesschulrat gibt es rechtskundige Beamte, die wissen, was in einem speziellen Fall zu tun ist. Natürlich haben die Eltern das Recht über ein Testergebnis ausreichend informiert zu werden. Auch Vorschläge für eine gezielte Förderung sollte man sich erwarten!

Austrian Legasthenie News Ausgabe 18/2001

 


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